von br. Francesco Scaramuzzi, OFM Cap.
„Gott ist Friede, der Beginn jeglicher Gemeinschaft. Wir besingen ihn mit Hymnen. Es ist der Gott des Friedens, der alle Dinge vereint, jede Eintracht bewirkt, jeglichen Zusammenhalt schafft. Alle Menschen streben nach diesem Frieden, damit er ihre Vielfalt und ihre Uneinigkeit in Einheit verwandeln möge und sie friedlich miteinander leben können. Der Friede verströmt seine Fülle mittels aller Lebewesen. Er vereint alles, indem er ein Extrem mit dem anderen verbindet. Auch die entferntesten Grenzen der Erde lässt er an seiner Seligkeit teilhaben. Er verbreitet aus sich selbst das Übermaß seiner friedenbringenden Fruchtbarkeit.“ (Pseudo-Dionysius Areopagita).
Das bevorstehende Weihnachtsfest kann unter verschiedenen Gesichtspunkten gesehen werden: Liebe, Freude, Leben, Geschenk, Brüderlichkeit, Friede. All dieser Reichtum an Bedeutungen und Empfindungen gehört zu Weihnachten. Ich habe unter den vielen einen ausgewählt, in Anlehnung an eine Stelle aus den Schriften von Pseudo-Dionysius Areopagita, Kirchenvater des frühen 6. Jahrhunderts: den der Einheit/Gemeinschaft. Denn Weihnachten spricht mehr als jedes andere Geheimnis von einem Gott, der angesichts der Zersetzung seiner Schöpfung nicht aufgibt und Mensch wird, um die Einheit und Gemeinschaft aller Dinge wieder herzustellen. Der menschgewordene Gott erinnert uns daran, dass wir von einem einzigen Beginn abstammen, eine einzige Familie bilden und zu einem einzigen Zweck geschaffen wurden: Anteil zu haben an der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4).
In einer Zeit, wo der Hang zur Zersetzung und Trennung immer stärker wird, sind wir gerufen, die Einheit, welche das primäre Geschenk Gottes ist, wieder aufzubauen. Der in sich gespaltene Mensch entspricht nicht dem Plan Gottes, so wie die untereinander entzweiten Menschen die ursprüngliche Absicht, wofür sie geschaffen wurden, verraten. Der Begriff „Frieden“ selbst, den wir dem Weihnachtsfest so gern als Stempel aufprägen, bedeutet letztendlich die Wiederherstellung der durch Trennung zerstörten Harmonie: Gott ist Friede, weil er den Menschen mit sich aussöhnt; er ist Friede, weil er die Gemeinschaft unter den Menschen wiederherstellt; er ist Friede, weil er die Einheit zwischen sich, den Menschen und der Schöpfung erneuert. In diesem Sinn ist Weihnachten, wo es uns ganz selbstverständlich danach drängt, uns mit der Familie und lieben Freunden zu versammeln, nicht nur eine Gelegenheit, unbeschwert zu feiern, sondern auch eine Einladung, mehr in die Tiefe zu gehen, sich nicht mit einer momentanen Ablenkung von den Sorgen und Verpflichtungen des Lebens zufrieden zu geben. Es ist ein Aufruf, die wahre Bedeutung wieder zu entdecken und sich zu bemühen, an der Verwirklichung der Einheit und Harmonie zwischen den Menschen und Gott mitzuwirken, was der eigentliche Zweck der Geburt Christi ist. Das ist nicht einfach, nicht ohne Mühe und Schmerz, wie auch Pater Pio betont: „Friede ist die Einfalt des Geistes, der heitere Sinn, die Ruhe der Seele, das Band der Liebe. Friede ist die Ordnung, die Harmonie in uns allen; er ist die anhaltende Freude, die einem guten Gewissen entspringt, ist die heilige Fröhlichkeit eines Herzens, in dem Gott wohnt. Friede ist der Weg zur Vollkommenheit, ja, im Frieden findet man die Vollkommenheit. Und der Teufel, der all dies nur zu gut weiß, tut alles, um uns den Frieden zu rauben.“ (Briefe I, S. 725).
Achtung also, wenn wir „Frohe Weihnachten“ wünschen, denn damit verpflichten wir uns und andere, Erbauer von Einheit und Frieden zu sein, von einer neuen, nicht mehr von Egoismus und Trennung geprägten Welt.
Indem ich allen ein „engagiertes“ Weihnachten als Erbauer von Einheit und Frieden, beginnend bei uns selbst, wünsche, schließe ich mit den Worten von Pater Pio, die er zu diesem Anlass an jeden von uns geschrieben hätte: „Zum Fest des Jesuskindes wünsche ich Euch, dass Euer Herz seine Wiege aus Blumen sein möge, wo es sich bequem betten kann und nicht unter jenem Exivi a Patre et veni in mundum leidet.“ (Briefe I, S. 1288).